ChatGPT und die Sache mit dem Copyright
Meine Frage war zugegebenermaßen etwas gemein, denn ChatGPT wurde mit Daten bis 2021 gefüttert, „Zarya of the Dawn“ entstand jedoch erst 2022. Obgleich meiner etwas fiesen Frage, konnte mir Chatty schon mal eine wichtige juristische Auskunft geben – wie immer: „Es kommt halt drauf an“. Auf was es ankommt, möchte ich in diesem Blogpost etwas erklären.
Bevor ich mit meinem Blogpost starte, möchte ich nur kurz klarstellen, dass ich Data Scientistin und keine Juristin bin. Ich habe mich zwar ausführlich in meiner Masterarbeit[1] mit dem Thema „Immaterialgüterrechtlicher Schutz von KI“ auseinandergesetzt, jedoch sind die Infos, die Sie von mir hier bekommen, in keiner Weise eine rechtliche Auskunft oder Beratung. Zudem ist alles um KI auch rechtlich gesehen noch nicht vollkommen eindeutig und bietet daher noch einigen Platz für Diskurs – aber zurück zum Thema.
“Zarya of the Dawn”[2] ist ein Comic, der mit Hilfe eines generativen Modells für Bilder[3] illustriert wurde. Die Autorin Kristina Kashtanova hat für die Illustrationen das Modell mit Input gefüttert und als Output ein Bild erhalten. Ähnlich wie ich in meinem letzten Blogpost zu ChatGPT[4] schon erklärt habe, kann dieser Input aus Text, der wiederrum in Tokens übersetzt wird, bestehen. Diesmal wird jedoch nicht der nächste Token (Text) vorhergesagt, sondern es werden Pixelwerte eines Bildes „vorhergesagt“[5]. Gerne auch hier wieder etwas zum selbst Ausprobieren: https://labs.openai.com/ oder https://beta.dreamstudio.ai/dream.
Besonderes Aufsehen hat dieser Comic jedoch nicht wegen seiner sehr schönen Illustrationen erhalten, sondern weil erstmals eine Autorin das Copyright für ein KI generiertes Werk erhalten hat. Nachdem bekannt wurde, wie der Comic entstand, gab es zwar das Bestreben seitens des US Copyright Office, Kristina Kashtanova das Copyright wieder abzuerkennen, jedoch führt ihr Anwalt in einem sehr ausführlichen Antwortschreiben[6] aus, warum Kristinas Werk schutzfähig ist. Er führt vor allem aus, dass Kristina die KI nur als Werkzeug verwendet hat. Die Entwicklung des Comics war weiterhin sehr zeitintensiv und Kristinas Input und Feinschliff war unabdingbar. Kristina Kashtanova erhielt das Copyright und hat es ist bis dato auch noch aktiv. [7]
Anders fiel die Entscheidung in einem anderen bekannten Fall aus: „A recent entrance to the paradise“[8]. Hier versuchte Steven Thaler, sich das Copyright für ein Bild zu sichern, das in seinem Auftrag von einer KI namens „Creativity Machine“ erstellt wurde. Denn in den USA besteht die Möglichkeit, sich das Copyright zu sichern, wenn man nicht selbst das Werk erschaffen hat, sondern wenn man die Erstellung des Werkes in Auftrag gegeben hat („work made for hire“). Dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt, da einerseits ein Werk nur durch einen Menschen erschaffen werden kann und andererseits eine KI auch nicht in einem Vertragsverhältnis stehen kann.
Obwohl US-Recht für die meisten Unternehmen hier keine zentrale Bedeutung hat, ist die grundliegende Fragestellung in Österreich und Europa die gleiche: „Wo ziehen wir die Grenze zwischen KI als Werkzeug und KI als Schöpferin/Erfinderin“. Im Urheberrecht spricht man vom „Schöpfer“, wohingegen man im Patentrecht vom „Erfinder“ spricht. In beiden Fällen ist sich jedoch die herrschende Lehre einig, dass KI mangels Rechtspersönlichkeit weder Schöpferin noch Erfinderin sein kann.
Trotz dieser herrschenden Meinung gab es auch einen Antrag beim Europäischen Patentamt, indem versucht wurde, eine KI als Erfinder anzugeben. In diesem Fall[9] wurde ein Patent für einen Lebensmittelcontainer beantragt, der von einer KI namens „DABUS“ erfunden wurde. Argumentiert wurde, dass der Antragsteller zwar nicht der Erfinder ist, jedoch das Patent als Dienstgeber der KI beantragen kann. Das Europäische Patentamt bemängelte jedoch ebenfalls, dass ein/e ErfinderIn eine natürliche Person sein muss und eine KI mangels Rechtspersönlichkeit in keinem Dienstverhältnis stehen kann. Aufmerksame LeserInnen werden hier – zu Recht – Parallelen zum oben erwähnten Copyright Fall finden, denn der Antragssteller war auch hier Steven Thaler.
In Anbetracht dieser Entscheidungen sollte daher somit die zentrale Fragestellung eher lauten: „Wenn KI als Werkzeug eingesetzt wird, wieviel menschlicher Einfluss muss noch in ein Werk/eine Erfindung fließen, damit es schutzfähig ist?“. Die zugrundeliegende Idee hinter dem Schutz geistigen Eigentumes, ist die Entlohnung der Person, die das Werk/die Erfindung hervorgebracht hat. Das Malen von Bildern, das Schreiben von Büchern, das Synthetisieren eines Medikamentes, das Entwickeln einer Maschine – all diese Prozesse verlangen gewisse Fähigkeiten und erfordern Zeit. Wenn KI nun als Werkzeug eingesetzt wird, kann es schnell den Anschein erwecken, dass sowohl der Anspruch an unsere menschlichen Fähigkeiten und die benötigte Zeit sinken und es daher auch nicht mehr nötig ist, das geistige Eigentum zu schützen.
Ich persönlich sehe es jedoch aus einer anderen Sichtweise. Ich bin der Meinung, dass der Anspruch an unsere Fähigkeiten in Summe nicht sinkt. Die Fähigkeiten, die notwendig sind, etwas Neues zu erschaffen, werden sich verschieben bzw. wird sich die Zeit, die wir für die jeweiligen Schritte aufwenden, verteilen. Ich muss lernen, wie ich mit einer KI interagiere, sodass der produzierte Output, das widerspiegelt, was bis dahin nur in meinen Kopf existiert – egal ob es Illustrationen für einen Comic sind oder Texte für ein Buch. Wenn ich ChatGPT für eine Recherche verwende, muss ich immer noch die Referenzen checken und selbst bewerten, welche Referenz ich als vertrauenswürdig empfinde. Wenn ich Codex[10] zum Programmieren einsetze, muss ich mir zuvor den Lösungsweg selbst so weit überlegen, um ihn in Worte zu fassen.
Anderseits rutschen andere Fähigkeiten mehr in den Hintergrund. Generative Modelle für Bilder sind mir bei weitem Überlegen, wenn es darum geht Objekte zu Bild zu bringen, die andere Menschen auch als solche erkennen. Somit ermöglichen mir solche Modelle meine Kreativität umzusetzen und mich mit dem mMn eigentlichen kreativen Prozess auseinanderzusetzen: Dem Ersinnen des Kunstwerkes. Sie verringern lediglich die Notwendigkeit „handwerklich“ schön zeichnen zu können.
Zusammenfassend, denke ich daher, dass die Beurteilung, ob ein durch KI erschaffenes Werk oder eine KI gestützte Erfindung schutzfähig sind, davon abhängen sollte, wie stark sich der Mensch noch eingebracht hat und auf welche Weise. Ich finde es einen enormen Fortschritt, wenn durch solche Werkzeuge mehr Menschen befähigt werden, Werke zu erschaffen und Erfindungen hervorzubringen. Selbst wenn uns KI, das Erschaffen und Erfinden erleichtert, ist meiner Meinung der Schutz des geistigen Eigentums noch immer gerechtfertigt, sofern alle anderen Voraussetzungen erfüllt sind.
Danke fürs Lesen, ich werde mich jetzt wieder dem Programmieren – oder wenn man es mit § 2 österreichisches UrhG ausdrücken will – dem Erschaffen eines literarischen Werkes widmen.
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[1] https://epub.jku.at/obvulioa/urn/urn:nbn:at:at-ubl:1-44159
[2] https://fliphtml5.com/yxtkj/thog/basic
[3] https://midjourney.com/
[4] https://www.cubido.at/blog/wie-funktioniert-chatgpt
[5] Neben Text können auch Bilder als Inputs verwendet werden. Es würde allerdings leider den Rahmen sprengen, wenn ich alle Aspekte von generativen Modellen für Bilder hier genauer erkläre. Jedoch gibt es für alle, die es interessiert, hier wieder interessantes Lesematerial: https://openai.com/dall-e-2/ und https://stability.ai/blog/stable-diffusion-announcement
[6] https://drive.google.com/file/d/1Idhn8eb9t883mm_U4CxAQQ_aANTI7UTX/view
[7] https://publicrecords.copyright.gov/detailed-record/34309499
[8] https://www.copyright.gov/rulings-filings/review-board/docs/a-recent-entrance-to-paradise.pdf
[9] https://register.epo.org/application?number=EP18275163
[10] https://openai.com/blog/openai-codex/
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